Bewusste Interaktionsirritationen als Reflexionsangebote zur Annäherung an Behinderungsphänomene
Seminarkonzept zur Unterstützung der Anbahnung einer kritisch-reflexiven Haltung Studierender
DOI:
https://doi.org/10.11576/hlz-4278Schlagworte:
Sensibilisierung, Behinderung, Beeinträchtigung, Reflexionsanlass, Inklusionskritik, differenzsensible GrundhaltungAbstract
Jede aktive Auseinandersetzung mit dem Phänomen Behinderung ist eine leibliche Fremdheitserfahrung (vgl. Singer, 2018). Lehrkräfte sollen eine professionelle Haltung zu Inklusion entwickeln, deren Diskurs häufig auf Behinderung verengt wird (vgl. Dannenbeck, 2015, S. 237f.). Je nach (bewussten) Vorerfahrungen und -urteilen gegenüber Menschen mit Behinderungen bedarf es langfristiger Einstellungsänderungen, z.B. durch Konfrontation mit eigenen Ängsten (vgl. Haubl, 2015). Sie können durch irritierende biografische Lernanlässe (vgl. Schäffter, 1997) angestoßen und unterstützt werden. Der Beitrag skizziert ein erstmals im Wintersemester 2018/2019 an einer Universität durchgeführtes Seminarkonzept. Unter dem Titel „Behindert-Sein oder Behindert-Werden“ werden ausschließlich Behinderungsphänomene theoretisch und erfahrungsbasiert fokussiert. Eine wahrnehmbar beeinträchtigte Erziehungswissenschaftlerin und eine Soziologin leiten gemeinsam die wöchentliche, im Bachelor-Grundlagenmodul „Bildung, Sozialisation, Erziehung“ verortete Veranstaltung für u.a. Soziologie-, Pädagogik- und Lehramtsstudierende. Die offensiv thematisierte Beeinträchtigung einer Lehrenden irritiert Studierende eventuell. Sie begleitet die theoriegeleitete, diskursive Gegenstandsannäherung ebenso wie studentische Vorannahmen und -erfahrungen mit (eigener) Behinderung. Sofern Studierende sich darauf einlassen können und nicht aktiv vermeiden, ermöglicht beides kritische (Meta-)Reflexion und Sensibilisierung. Als Studienleistung setzen sich die Studierenden in einem unbenoteten Portfolio mit ihrer individuellen Einstellungsveränderung zu Behinderung auseinander. Sie wählen frei zwischen eigenen Erfahrungen, Anstößen durch die Interaktion mit Lehrenden und Kommiliton*innen, Narrationen der Lehrenden zu ihrer Lebenssituation, wissenschaftlichen und medial vermittelten Inhalten und Materialien. Das Interesse an geschilderten Beeinträchtigungserfahrungen der Lehrenden ist groß und wird wiederkehrend im Seminarverlauf und in den Portfolios aufgegriffen.
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